Anhörungsprotokoll

Protokoll zur öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am 14.01.2013 zu dem Thema: Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens Bundesdrucksache 17/11268

Ort: Deutscher Bundestag, Paul-Löbe-Haus
Datum: 14. Januar 2013
Beginn: 11:30 Uhr
Ende: 14:30 Uhr
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An der Anhörung des Rechtsausschusses zum Thema: Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens hat für die NIVD e.V. der Geschäftsstellenleiter Dipl.-Kfm. Ramon Özer teilgenommen.

 

Der Leiter des Rechtsausschusses Thomas Silberhorn, MdB, berichtet über den Gesetzesentwurf der Bundesregierung in der Bundesdrucksache 17/11268, der es den Schuldnern erstmalig ermöglicht, die Restschuldbefreiung vorzeitig nach drei oder fünf Jahren zu beenden, soweit sie innerhalb der genannten Zeiträume eine Mindestquote erfüllen oder zumindest die Kosten des Verfahrens tragen. Der Entwurf schafft somit ein Anreizsystem, von dem Schuldner und Gläubiger gleichzeitig partizipieren sollen.

 

Folgend werden die anwesenden Sachverständigen um ihre Stellungnahmen gebeten. Insgesamt werden drei Fragerunden zwischen den anwesenden Abgeordneten und den Sachverständigen durchgeführt.

 

Prof. Dr. Heinz Vallender, Vors. Richter am Amtsgericht Köln, merkt an, dass nach seiner Auffassung die Mindestquote von 25 % zur vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung nicht hinreichend erfüllt werden kann. Nach einer Untersuchung beispielhafter Fälle kommt er zu dem Schluss, dass nur ein sehr geringer Prozentsatz von Schuldnerin diese Kriterien erfüllen kann. In den ersten drei Jahren 25 % der Gläubigerforderungen zu befriedigen, sei ein sehr ambitionierter Ansatz, der in der Realität nur schwer realisierbar scheine. Guido Stephan,
Mitglied des Vorstands des Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung und Richter am Amtsgericht Rheinheim, ist der Auffassung, dass der gewünschte Effekt eher zur Schwächung der Restschuldbefreiung insgesamt beiträgt und keine ersichtlichen Vorteile für Gläubiger beinhaltet.

 

1Weitere Stellungnahmen der Sachverständigen verdeutlichen, dass die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf die Dauer von drei Jahren sowie die festgelegte Quote
von 25 % kontrovers diskutiert werden. Die Pauschalisierung wird bei der Individualität jedes einzelnen Falles als problematisch empfunden.

 

Die Vertreterin des Bankenverbandes e.V., Cordula Nocke, macht deutlich, dass bei genauer Betrachtung für die Kreditwirtschaft erhebliche Risiken durch die Verkürzung der Restschuldbefreiungsphase eintreten können. Die Einführung der festen Quote wird dem Schuldner in dem Maße nutzen, wie sie dem Gläubiger schadet. Banken, regelmäßig
Hauptgläubiger, wären in dem Fall von den wirtschaftlichen Auswirkungen direkt betroffen.

 

Die Abgeordneten des Rechtsausschusses greifen die dargelegten Gesichtspunkte auf und befragen die einzelnen Sachverständigen nach Alternativvorschlägen zur pauschalisierten
Quote, auch nach Lösungsansätzen zum Ablauf der Wohlverhaltensphase. Es wird angeregt, den Entwurf mit festgelegten Quoten zu belassen, aber davon abzuweichen, wenn bestimmte Vorraussetzungen geschaffen sind. Das System soll auf die individuelle Leistungsfähigkeit des Schuldners übertragen werden. Es müssten Anreize geschaffen werden, damit die Reform
nicht zu einem Mentalitätswechsel beiträgt und eine schlechte Zahlungsmoral von vornherein provoziert wird. Jana Brockfeld, Referentin für Schulden und Insolvenz Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., führt aus, dass die geplante Verkürzung der Wohlverhaltensperiode eine außergerichtliche Einigung aussichtslos machen kann und Schuldner auch in den Fällen ein
gerichtliches Insolvenzverfahren durchlaufen, in denen gute Aussichten auf eine außergerichtliche Einigung bestehen.

 

Dr. Christoph Niering, Vorsitzender des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands e.V., begrüßt die Verfahrensverkürzung, merkt jedoch an, dass die Dauer der Vorbereitungsmaßnahmen und die zehnjährige Sperrfrist unverändert bleiben. Zudem entfiele seiner Erfahrung nach in maximal 10 % der Insolvenzverfahren auf die Gläubiger eine Quote von maximal 10 % auf ihre Forderungen.

 

Die zweite Fragerunde der Abgeordneten greift die Gesichtspunkte der verstärkten Einbeziehung der Gläubiger und Zuständigkeiten im Insolvenzverfahren auf. Burkhard Lischka, MdB, stellt die Frage, ob die weitergehenden Rechte der Gläubiger dazu führen werden, dass sich bestimmte Gläubiger „querlegen“ werden und welche Folgen daraus für die Gerichte resultieren. Prof. Dr. Hans-Ulrich Heyer, Richter am Amtsgericht Oldenburg, merkt an, dass ein Gläubiger alleine durch Passivität alles verhindern kann und dieser Aspekt zu Mehraufwand bei den Verfahren führt, was sich auch zu Lasten der redlichen Schuldner auswirkt. Guido Stephan fügt hinzu, dass Umsetzung außergerichtlicher Einigungsversuche nach seiner Erfahrung häufig daran scheitern, dass die Gläubiger nicht vernünftig agieren. Dr. Christoph Niering sieht die Einbindung von Gläubigern auch eher kritisch, die Integration von Gläubigern würde häufig eher zu Blockaden als zu zielorientierten Ansätzen führen.

 

Richard Pitterle, MdB, fragt im Hinblick auf die gerichtsinternen sachlichen Zuständigkeiten, ob die Übertragung der Zuständigkeiten für das Verbraucherinsolvenzverfahren auf die Rechtspfleger sinnvoll sei. Dr. Claus Richter, Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände, hält eine Änderung der Zuständigkeiten nicht für sinnvoll; die Aufgaben sollten aus Praktikabilitätserwägungen beim Richter bleiben. Prof. Dr. Heinz Vallender hält eine Übertragung der Zuständigkeiten ebenfalls für nicht effektiv: Nach seiner Auffassung
funktioniere die bisherige Zusammenarbeit erprobt und hervorragend, eine weitere Änderung schafft neue Probleme.

 

Abschließende Fragen konzentrieren sich auf Beiträge, die der Schuldner, der in den Genuss einer Verkürzung der Restschuldbefreiungsphase kommen möchte, zu leisten hat. Dr.
Christoph Niering schlägt vor, die Restschuldbefreiung für alle Schuldner auf vier Jahre zu verkürzen und von einer festgelegten Quote abzusehen. Prof. Dr. Heinz Vallender stimmt dem zu und regt an, dass vor allem einheitliche- und praxistaugliche Instrumentarien zum Einsatz kommen müssen.

 

Im Ergebnis wird mehrheitlich die feste Quote von 25 % als nicht praktikabel angesehen.

 

Der Leiter des Rechtsausschusses wird besonders diesen Aspekt in den weiteren Überlegungen berücksichtigen. Der in Aussicht gestellte weitere Termin zur letzten Diskussion am 27.02.2013 kann zum jetzigem Zeitpunkt noch nicht eindeutig bestätigt werden.

 

Berlin, 14.01.2013
Dipl. Kfm. Ramon Özer
Leiter Geschäftsstelle

Deutsche Bank